Neubau des Rathauses Bingen

1. Ziel des Vorhabens
Der geplante Rathausneubau am Standort des Gebäudes Hauptstraße 19 ist Ergebnis eines in den vergangenen Jahren aufgestellten Ortskernentwicklungskonzeptes. Dieses sieht an Stelle des bisherigen Rathauses und eines gemeindlichen Wohngebäudes (Hauptstraße 19) die von Gemeinderat und Bürgerschaft gleichermaßen dringend geforderte Neuerrichtung eines barrierefreien, den heutigen Anforderungen entsprechenden Rathausgebäudes vor. Das Wohngebäude Hauptstraße 19 wurde im Jahr 2020 zu diesem Zweck abgebrochen.

Der Gemeinderat hat sich in seiner Sitzung am 25.05.2020 entschieden, den Neubau des Rathauses als Holzbau zu erstellen. Die Gründe/Ziele hierfür liegen in der Verwendung ökologischer Baumaterialien, der wirtschaftlichen Umsetzung, der Senkung des Primärenergiebedarfs gegenüber den aufgegebenen Gebäuden sowie aus der Stellung als waldbesitzende Gemeinde (1.200 Hektar Gemeindewald).

Der innovative Ansatz beim Bau des neuen Rathauses liegt einerseits in der Verwendung von Baubuche. Andererseits stellen die Rahmenbedingungen des Standorts hohe Anforderungen: Neben einem wenig tragfähigen Boden befindet sich die Gemeinde Bingen in der Erdbebenzone 2.

Durch den Neubau wird der Primärenergiebedarf gegenüber dem bisherigen Bestandsgebäude um 72% sinken.

2. Umsetzung
Es ist geplant, bei den hochbelasteten Bauteilen (Stützen / Tragkonstruktion) eine Ausführung in Baubuche zu verwenden. Im Zusammenspiel mit den geplanten Brettsperrholzdecken erreicht man ein leichtes Gebäude mit hoher Duktilität (Verformbarkeit des Materials). Gegenüber einer Massivbauweise kann auf eine Pfahlgründung (der Baugrund besteht überwiegend aus sandigem Boden) verzichtet werden. Damit wird ein weiterer Materialeinsatz verhindert; Kosten werden gesenkt. Der Duktilität kommt mit Blick auf die Lage in der Erdbebenzone eine weitere wichtige Funktion zu.

Bei der Planung wurde konsequent auf Wirtschaftlichkeit geachtet. Der einfach gegliederte Baukörper unterliegt einer konsequenten Rasterung. Dadurch sind mehrere Grundrisse denkbar. Um Erweiterungen in der Nutzung, z.B. durch weitere Bürgerdienstleistungen (Post, Arzt etc.) zu ermöglichen oder für weiteres Rathauspersonal sind Raumreserven eingeplant. Außerdem erreicht man durch die Rasterung einen hohen Vorfertigungsgrad mit kurzen Bauzeiten.

Das Gebäude erstreckt sich über drei Geschosse (Erdgeschoss, Obergeschoss und Dachgeschoss). Die Grundfläche misst 28,40 m x 10,60 m. Die Firsthöhe liegt bei 13,00 m.

3. Beitrag zur Energiewende
Ausgenommen beim Keller werden keine energieaufwändigen, endlichen Baustoffe wie z.B. Beton, Bau- oder Profilstahl verwendet. Durch den Einsatz von Laub- und Nadelholz wird der Einsatz von Primärenergie soweit wie möglich reduziert. Die Holzständerbauweise der Innen- und Außenwände erlaubt einen maßvollen Einsatz der heimischen Ressourcen. Durch den Einsatz von Buche-Furnierschichtholz wird der zwischenzeitlich bewährte Einsatz von Buche als Baustoff einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht und so die weitere Verbreitung unterstützt. Das Gebäude erreicht den KfW40-Standart. Die Heizung des Gebäudes ist über den Anschluss an das geplante Wärmenetz vorgesehen. Das Dach wird für die Installation einer PV-Anlage zur Produktion von Eigenstrom vorbereitet.

Der geplante Neubau verbraucht, verglichen mit dem bestehenden Verwaltungsgebäude, welches mittels elektrischer Energie beheizt wird, etwa 72 % weniger Primärenergie. Die Reduktion von CO2-Emissionen durch die Einsparung und die Verwendung anderer Energieträger liegt bei etwa 12,9 Tonnen pro Jahr. Zusätzlich werden durch das verbaute Holz jährlich 10,8 Tonnen CO2 eingespart.

4. Architektur
Das neue Rathaus wird so platziert, dass es im Zusammenspiel mit dem bereits sanierten Vereinshaus „Bingen-Mitte“, nach Abbruch des bisherigen Rathauses und Neubau eines zentralen, barrierefreien Bushalts, eine komplett veränderte Ortsmitte ergibt. Das neue Rathaus wird dabei den entstehenden Platz und damit auch die Ortsdurchfahrt der Gemeinde Bingen entscheidend prägen, weil es deutlich in das Blickfeld rückt.

Das planende Architketurbüro Schaudt beschreibt den Neubau wie folgt:

„Das neue Rathausgebäude wird als linearer, einfacher Baukörper mit Satteldach entwickelt. Im Erdgeschoss sind die öffentlichen Nutzungen, wie das Bürgerbüro und der Ratssaal angeordnet. Im ersten Obergeschoss befinden sich zusammenhängend die Verwaltungsräume, im Dachgeschoss die Handakten und die Sozialräume. Im Kellergeschoss Technik sowie die zentralen Archivräume. Durch die erdgeschossige Anordnung des Ratssaals kann der Saal problemlos auch extern genutzt werden, mit direktem Außenbezug in den Bürgergarten. Das Äußere des Gebäudes macht die Funktionen der einzelnen Nutzungen ablesbar. Die Fassade arbeitet und spielt mit geschlossenen Wandflächen und grosszügigen Fensterbändern und nimmt Bezug auf die Lochfassaden der umliegenden Nachbargebäude. Als Konstruktion ist das Gebäude in minimierter Holzskelettkonstruktion  angedacht und nimmt dadurch die Tradition der ländlichen Fachwerkhäuser auf. Vertikallamellen gliedern die Verglasung zusätzlich.“

Insgesamt werden rund 270 cbm Holz verbaut.

5. Förderung
Gesamtkosten des Gebäudes: ca. 3,5 Mio. EUR

Zuschüsse wurden bewilligt von:

  • Bund (über KfW-Bank)
    Bundesförderung energieeffizienter Gebäude (BEG)
    413.140 EUR
  • Land und EU (über L-Bank)
    Holz Innovativ Programm (Demonstrationsvorhaben Holzbau)
    Europäischer Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE) – Operationelles Programm Baden-Württemberg 2014 bis 2020 „Innovation und Energiewende“
    250.000 EUR
  • Land (über Regierungspräsidium Tübingen)
    Entwicklungsprogramm Ländlicher Raum (ELR)
    für behindertengerechte Begegnungsstätte (neuer Sitzungssaal)
    144.900 EUR
  • Land (über Regierungspräsidium Tübingen)
    Ausgleichstockmittel für den Neubau des Rathauses
    300.000 EUR